Künstler-Plakate
Lesen Sie hier zwei Texte zum Thema:
1.) Politik gestalten! Plakate von Studierenden der UdK Berlin aus dem Jahr 2017
2.) Künstlerplakate. Ein Essay von Annette C. Dißlin
Zur Ausstellung "Politik gestalten", Plakate der Klassen von Henning Wagenbreth und Fons Hickmann an der Berliner Universität der Künste (UdK)2018
Ist „die heutige Jugend“ (was für ein schöner, zeitloser Begriff, den jede Generation einmal durchwandert) nicht viel zu unpolitisch, zu sehr nur am Eigenen statt an der Entwicklung der Gesellschaft interessiert, hoffnungslos gefangen in den tausend Banalitäten der sogenannten Sozialen Medien? Das liest man doch in vielen politischen Kommentaren,deren Autoren zu „ihren Zeiten“ vielleicht auch nicht bewegter waren.
Umso eindrucksvoller ist ein Projekt von Plakatentwürfen, die die Professoren Henning Wagenbreth und Fons Hickmann der Berliner Universität der Künste (UdK) mit ihren Studenten durchgeführt haben: „Wir befinden uns in einer Phase, die an politischen Wandlungen geradezu zu bersten scheint… Unsere Studierenden diskutieren darüber, was ihnen Angst macht und was ihnen Hoffnung gibt. Sie denken darüber nach, wie sie die politischen Entwicklungen beeinflussen können. Sie tun das mit Vehemenz, mit Zeitgeist und mit Humor. Das Plakat ist die Waffe der Kunst. Und jede Zeit braucht ihre politischen Plakate.“ schreibt Prof. Fons Hickmann zur Ausstellung.
Und Henning Wagenbreth ergänzt: „Wenn in Wahlkampfzeiten allenthalben Parteiplakate angeschlagen werden, sorgt sich regelmäßig die politische Öffentlichkeit um die Wahlbeteiligung und den Politikverdruss unter den jungen Wählern. Wenn man sich dann aber die Selbstdarstellungen der Parteien anschaut, beschleicht einen der Verdacht, dass es sich nicht um Politikverdruss, sondern erst mal um Plakatverdruss handeln könnte. Überraschende Bilderfindungen, außergewöhnliche Techniken, Experimente, Satire, Humor, Emotionen und partizipative Ansätze sucht man in den großen Plakatkampagnen vergebens. Sie scheinen mit den politischen Marketing-Strategien nicht kompatibel zu sein. Die Studenten der Plakat- und Illustrationsklasse der Universität der Künste Berlin wollen der aktuellen politischen Plakatlandschaft neue Vorschläge entgegensetzen. Sie suchten nach Bildern, Zeichen und Texten zu den Themen ihrer Generation.“
Und tatsächlich: Man ist nicht nur verblüfft über das große Themenspektrum, in dem erstaunlicherweise (?) die Propagierung der Europäischen Union einen absoluten Schwerpunkt bildet, sondern auch von den manchmal genial einfachen, einfach genialen Lösungen und Bild-ideen. Fast 100 politische Plakate sind im letzten Jahr im Rahmen dieser Aktion entstanden, im Siebdruck und Digitaldruck produziert.
Ich habe diese Ausstellung im Ministerium für Illustration in Berlin entdeckt. Da die letzten Bundesregierungen es fatalerweise versäumt haben, ein solches wirklich zu errichten, hat Henning Wagenbreth diese Lücke auf eigene Faust gefüllt. Der 1962 in Eberswalde geborene Künstler studierte von 1982 bis 1987 in Ost-Berlin an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und gründete 1989 noch vor dem 9. November u.a. mit Anke Feuchtenberger und BECK die Berliner Künstlergruppe „PGH Glühende Zukunft“. Seit 1994 lehrt er als Professor an der Universität der Künste (UdK) in Berlin. Neben preisgekrönten Kinderbüchern illustrierte er auch zwei „Tolle Hefte“.
Unsere Ausstellung zeigt eine Auswahl aus den Plakaten, die jeweils ca. 84 x 59 cm groß sind, jeweils Original-Serigrafien, die in Auflagen von 3 bis 20 Exemplaren entstanden sind. Leider sind nur die wenigsten Studierenden meinem Wunsch nachgekommen, die bei uns gezeigten Exponate zu signieren, die meisten sind also unsigniert.
Das Künstlerplakat.
Inbegriff für Brückenschlag und Grenzüberschreitung in der Bildenden Kunst
Ein Essay von Annette C. Dißlin
(hier engestellt mit ihrer freundlichen Genehmigung und der Empfehlung, ihre website www.bleikloetzle.de zu besuchen)
HAP Grieshaber, Andy Warhol, Pablo Picasso, Friedensreich Hundertwasser, Henri Toulouse-Lautrec, Max Bill, Joan Miró, Georges Braque –und die Brücke-Künstler: allen war es, zumindest zeitweise, Thema und künstlerische Herausforderung. Vom Expressionismus bis zur Op Art, als Holzschnitt oder Siebdruck, klassisch oder provokant, in Auflagen von 200 oder 10.000 Exemplaren. Es scheint, als gäbe es keinen noch so kleinen gemeinsamen Nenner für das, was wir ein Künstlerplakat nennen. Und doch: Da ist einer. Was allen Künstlerplakaten gemeinsam ist: Stets überschreiten sie Grenzen, immer schaffen sie Verbindungen, schlagen Brücken zwischen Bereichen, die bis dahin als getrennt voneinander angesehen wurden.
Seine erste große Blüte feierte das Künstlerplakat in den späten 50er Jahren des 20. Jahrhunderts. Nahezu zeitgleich entdeckten die Großen der Klassischen Moderne – Picasso, Braque, Léger, Chagall – den Steindruck, also die Lithographie, und damit das Plakat für sich. Vor allem der experimentierfreudige Picasso lotete voller Energie Möglichkeiten und Weiterentwicklungen dieser originalgraphischen Technik aus. Im Nachkriegsfrankreich sind zwei Unternehmen untrennbar mit dem Künstlerplakat verbunden: Die Druckerei der Gebrüder Mourlot, bei der viele Jahre lang praktisch alle Künstler von Rang und Namen ein- und ausgingen und ihre Künstlerplakate auf den Steindruckpressen dort produzierten bzw. produzieren ließen, und die Galerie Maeght, die die Tradition begründete, dass Künstler zu ihren eigenen Ausstellungen entsprechende Plakate entwarfen. Der Sohn des Galeriegründers hob später eine eigene Steindruckerei aus der Taufe, weitere Galerien in Paris, darunter Berggruen & Cie, griffen die Tradition des vom Künstler zu seiner eigenen Ausstellung selbst gestalteten Plakates auf. Die Druckgraphik selbst und das Künstlerplakat mit ihr boomte in den 60er Jahren.
Es hat auch schon vor dem zweiten Weltkrieg und im ausgehenden 19. Jahrhundert Künstlerplakate gegeben, allerdings nur vereinzelt. Lange Zeit wurde immer wieder die Forderung laut, die freie Kunst, und mit ihr die freie Graphik, habe vor allem in einer Hinsicht frei zu sein, nämlich frei jeglichen Zweckes. Damit wurde ein Graben ausgehoben, zwischen der zweckfreien Graphik auf der einen und der sogenannten Gebrauchsgraphik auf der anderen Seite. Über diese tiefe Kluft haben die Künstlerplakate immer wieder neue Brücken geschlagen. Mit der Zeit wurden sie nicht nur für die Ausstellungen der Künstler entworfen, sondern nach und nach auch für andere kulturelle Veranstaltungen bis hin zu Serien zum Beispiel für die Olympischen Spiele in München 1972 oder für die Donaueschinger Musiktage. Künstler wandten sich mit den von ihnen entworfenen Plakaten gegen Krieg, gegen Menschenrechtsverletzungen, gegen Umweltzerstörung. Das Plakat brachte die Kunst unter die Leute, es gab dem Künstler die Möglichkeit, die Grenzen der Galerien und Museen zu überschreiten und eine große Zahl von Menschen zu erreichen; es wurde zur „Kunst der Straße“.
Andy Warhol und Friedensreich Hundertwasser haben, jeder auf seine ganz eigene Weise, mit ihren Plakaten die Grenze zwischen Original und Reproduktion verwischt. Für Warhol gab es die Idee des Originales gar nicht mehr, Hundertwasser nutzte die großen Auflagenhöhen des Siebdruckes, und machte alle Drucke der mitunter mehrere Tausend Exemplare umfassenden Auflage durch Signierstempel zum Original. So manches Wirtschaftsunternehmen hatte den Mut, die Grenze zur Kunst zu überschreiten und bei Künstlern Plakatserien in Auftrag zu geben. So entstand eine bemerkenswerte Serie von Touristikplakaten für die Air France, gestaltet von Georges Mathieu, einem der bedeutendsten Maler in Frankreich um 1960.
In Deutschland haben seit den 50er Jahren allen voran HAP Grieshaber und Horst Jansen kontinuierlich Künstlerplakate geschaffen und damit den Weg geebnet für den großen Aufschwung, den diese Kunstgattung im Europa der 70er nahm. Speziell an den Plakaten dieser beiden Künstler wird eine weitere Grenze sichtbar, die in und mit diesem Genre immer wieder überschritten wurde. Grieshaber nutzte, für den gelernten Schriftsetzer lag dies nahe, gerne Satzschriften, also Buchdrucklettern für die Texte auf seinen Plakaten. Jansen setzte seine charakteristischen Handschriftzüge ein. Henri Matisse hat sogar in seinen Plakaten mitunter beim Text auf seine Technik der Papiers découpés zurückgegriffen und die Buchstaben aus gefärbten Papieren ausgeschnitten. In allen Fällen bleibt jedoch die Forderung erfüllt, die an das Künstlerplakat immer wieder gestellt wurde: dass nämlich sowohl Text als auch Bild vom Künstler selbst gestaltet sein soll. Jan Tschichold, einer der großen und strengen Typographen des 20. Jahrhunderts, war der Ansicht, der ‚Strich‘ des Künstlers sei nichts als eine überflüssige, dem Zweck schädliche Belästigung des Publikums. Hier wird die strikte Forderung aufgestellt, dass die Handschrift des Entwerfers die zu übermittelnde Botschaft nicht stören dürfe. Auch diese Grenze haben Künstler mit ihren Plakaten immer wieder überschritten und mit ihrem auf den ersten Blick erkennbaren ganz persönlichen Stil Botschaften so gut oder noch besser übermittelt. Beim Thema Künstlerplakat wird also einmal mehr deutlich, dass harte Grenzziehungen und eng gefasste Definitionen innerhalb der Kunst durchaus ihre Problematik haben können.
Quellen:
Jürgen Döring: Künstlerplakate - Picasso, Warhol, Beuys ... Herausgegeben vom Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg zur Ausstellung vom 19. März bis 10. Mai 1998
Künstlerplakate: Frankreich/USA Zweite Hälfte 20. Jahrhundert. Hans Wichmann, Florian Hufnagl, unter Mitw. von Corinna Rösner.-Basel; Boston; Berlin: Birkhäuser, 1991 (Industrial design - graphic design; Bd. 10) ISBN 3-7643-2563-1