Kaleko-Illustrationen Ticha

Zu Hans Tichas Illustration von Gedichten von Mascha Kaleko

Man mag es kaum glauben, aber das erste von Hans Ticha illustrierte Buch entstand 1959, es war „Das Schildbürgerbuch“. Auf 28 Seiten befanden sich 10 dreifarbige Orig.-Linolschnitte, und auch die Schrift war geschnitten. Die Auflage von 25 Exemplaren war nicht gerade üppig, aber...

...für den Erstling eines 19-Jährigen auch nicht übermäßig bescheiden.

Die Textauswahl spricht bereits für sich: Das Anprangern irrsinnigen Verwaltungshandelns einer irgendwie ja auch kommunemäßig verfassten Bürgerschaft in Schilda war durchaus inspiriert von den Verhältnissen, wie sie der junge Student Ticha in der DDR tagtäglich vor Augen hatte.

Ticha, der schon als Jugendlicher in einem Malzirkel des an sich impressionistischen Künstlers Heinz Mutterlose seinen konstruktivistischen Stil zu entwickeln begonnen hatte, sah nach dem Abitur keine großen Chancen für seine – in der DDR der 1960-Jahre als „formalistisch“ verpönte – Kunst und studierte zunächst Kunsterziehung und Geschichte an der Leipziger Universität. Nach zwei Jahren im Schul- und dem anschließendem Militärdienst orientierte er sich neu und bewarb sich 1965 um einen der raren Studienplätze an der Kunsthochschule Berlin Weißensee. Und schuf sein zweites selbst gedrucktes Buch, dieses Mal illustrierte er eine selbst zusammengestellte Lyrik-Anthologie.

Der Künstler, der im Verborgenen zeichnerisch wie malerisch den „Konstruktionen“ der SED-Rituale: Fäuste recken, Parolen rufen, Beifall klatschen nachspürte, fand sich nach Abschluss des Studiums 1970 als Selbständiger wieder, der seinen Lebensunterhalt mit den eben beschriebenen Werken nicht verdienen konnte.

Aber es gab in der DDR einen Markt für Zeitschriften- und Buchillustrationen. Einerseits versuchte die SED, durch Förderung anspruchsvoller Buchkultur gesellschaftliche Legitimität zu erringen, andererseits zwangen die planwirtschaftlichen Preisvorgaben die Verlage geradezu zur Produktion illustrierter Bücher, da für diese höhere Verkaufspreise angesetzt werden durften.

So erschien gleich 1971 das erste industriell gefertigte Buch mit Ticha-Illustrationen, Lyrik von Uwe Berger, im Verlag Neues Leben. Schon mit seinem übernächsten Buch sprengte Ticha die herkömmlichen Illustrationswege: Für Hans Falladas „Geschichten aus der Murkelei“ lieferte er nicht, wie üblich, Zeichnungen ab, die dann reproduziert werden, sondern zeichnete für jede der 89 (!) Illustrationen für jede der vier Farben eine eigene Transparentfolie (von der je eine Druckplatte belichtet wurde), so dass erst im Druck die farbige Grafik entstand. Sinn dieser original-grafischen Technik war und ist es, das Rastern der Flächen und Linien, das es für den normalen Vierfarbdruck braucht, zu erübrigen und damit eine kräftigere, leuchtendere Farbwirkung zu erzielen. Zudem muss so nicht in den drei Grundfarben Rot, Gelb, Blau sowie Schwarz gedruckt werden, sondern es können Sonderfarben angemischt werden, was dem Künstler mehr Kontrolle über die Farbwirkung des gedruckten Endprodukts verschafft. Ein Vorteil, den Ticha gerade bei seinem neuesten, soeben erschienen Katalog (s.u.) schmerzlich vermisst, wo z.T. die kräftigen Rottöne der Originale in ein schnödes Braun wegsuppen.

Bis zum Ende der DDR erschienen insgesamt (mit den beiden ersterwähnten Büchern im Selbstverlag) 73 von Hans Ticha illustrierte Bücher, darunter die Jahrhundert-Illustration von Karel Capeks „Der Krieg mit den Molchen“, die die Büchergilde vor kurzem neu aufgelegt hat, aber auch das Kinderbuch „Gute Zähne“ (Vorzugsausgabe des Nachdrucks s.u.), das 1982 zuerst erschien. Als das „letzte Buch der DDR“ bezeichnete die Berliner Katzengraben Presse ihren am 3.10.1990 erschienenen und mit einer Ticha-Serigrafie illustrierten Druck „Ostberliner Treppen“.

Nach 1990 nutzten sowohl die Büchergilde als auch etliche Pressendrucker den von keiner Mauer mehr verstellten Zugang zu dem einzigartigen Künstler und Buchillustrator, vor allem die Düsseldorfer Eremitenpresse, aber auch der 1990 neu gegründete Leipziger Bibliophilenabend, Reinhard Scheubles „Quetsche“ und die Mariannen Presse.

Bis heute hat es der Künstler auf annähernd 100 Buchillustrationen „gebracht“, von den zahllosen Einbandgestaltungen, Illustrationsbeteiligungen und Katalogen einmal völlig abgesehen.
Die Büchergilde beauftragte Hans Ticha mit der dann in drei Auflagen erfolgreichen Illustration von Ringelnatz-Gedichten (1996), es folgte im Jahr 2000 die wieder komplett originalgrafische Gestaltung von Gedichten von Ernst Jandl. 2003 schuf Ticha Bilder zu den Gedichten von Erich Kästner und 2006 zu denen von Kurt Tucholsky. Diese Reihe beschloss bisher die illustrierte Ausgabe von Christian Morgensterns „Galgenliedern“ (2014).

Als der neue Büchergilde-Verleger Alexander Elspas diese Sammlung gleichformatiger Lyrikillustrationen Tichas als eines der verlegerischen Glanzstücke der Büchergilde auf seinem Schreibtisch aufbaute, befand er, da fehle noch eine, nämlich Mascha Kaléko.

Mascha Kaléko, geboren im galizischen Chrzanów, Österreich-Ungarn, übersiedelte mit ihrer jüdischen Familie zu Beginn des Ersten Weltkriegs nach Deutschland, um Progromen zu entgehen. In Frankfurt am Main besuchte Kaléko die Volksschule. 1916 zog die Familie nach Marburg, schließlich 1918 nach Berlin. Kaléko belegte neben einer Bürotätigkeit Abendkurse in Philosophie und Psychologie, unter anderem an der heutigen Humboldt-Universität. 1928 heiratete sie den Hebräischlehrer Saul Aaron Kaléko. Gegen Ende der zwanziger Jahre kam sie mit der künstlerischen Avantgarde Berlins in Kontakt, die sich im Romanischen Café traf. So lernte sie u. a. Else Lasker-Schüler und Joachim Ringelnatz kennen. 1929 veröffentlichte Mascha Kaléko erste Texte.
Nach der Machtergreifung der Nazis wurden ihre Bücher als „schädliche und unerwünschte Schriften“ verboten. Die Familie emigrierte im September 1938 in die USA. Nach dem Krieg fand Kaléko in Deutschland wieder ein Lesepublikum und wagte es, nach Westdeutschland zu-rückzukehren. 1960 sollte sie den Fontane-Preis der Akademie der Künste in Berlin (West) verliehen bekommen; als Kaléko erfuhr, dass der ehemalige SS-Standartenführer Hans Egon Holthusen in der Jury für den Preis saß, lehnte sie die Nominierung ab. Daraufhin wurde sie von der Akademie beschimpft.

1956 wanderte sie ihrem zweiten Mann zuliebe mit diesem nach Jerusalem aus. Dort litt sie sehr unter der sprachlichen und kulturellen Isolation. Ihren Plan, nach dem Tod ihres Mannes nach Berlin zurückzukehren, konnte sie nicht mehr verwirklichen. Sie starb 1975 auf der Durchreise in Zürich.

Mascha Kaléko zählt neben Sarah Kirsch, Hilde Domin, Marie Luise Kaschnitz, Nelly Sachs und Else Lasker- Schüler zu den bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikerinnen des 20. Jahrhunderts.

Zu meinem großen Erstaunen sagte Hans Ticha, der sich an sich ganz auf sein malerisches Werk konzentriert hatte, nach einigem Zögern zu, noch einmal ein solch umfangreiches Werk für die Büchergilde zu illustrieren. Seine Bedenken richteten sich darauf, dass sich Kalékos Lyrik stark nach innen richtet, was plausible Bilderfindungen erschwert. Wer sich nun die jetzt vorliegenden Zeichnungen ansieht, kann nur dankbar sein, dass Hans Ticha seine Zweifel beiseitegeschoben und seiner ungebrochenen Imagination vertraut hat. Es ist ein großartiges Buch entstanden, geschaffen 60 Jahre nach Erscheinen des ersten von Hans Ticha illustrierten Buches!

Eine Würdigung des Künstlers und Einordnung seiner Bedeutung für die zeitgenössische Kunst in Deutschland finden Sie im artclub-Teil des Mitglieder-Magazins der Büchergilde zu Tichas 80. Geburtstag 2020, Link siehe unten.

https://www.grafikbrief.de/geladene_pdf/Artclub_94.pdf

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Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Nieder-schlägen E.a.

Einzelgrafik zur Ergänzung

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Nieder-schlägen E

Vorzugsausgabe mit der Grafik „Con Anima“

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen

Vorzugsausgabe mit 4 Grafiken

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen C

Vorzugsausgabe mit der Grafik "Reisender"

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen B

Vorzugsausgabe mit der Grafik "3 Damen am Meer"

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen

Vorzugsausgabe mit 3 Grafiken

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Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen D

Vorzugsausgabe mit der Grafik "Junges Paar"

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen II

Künstler-Vorzugsausgabe mit Orig.-Skizze

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen III

Künstler-Vorzugsausgabe mit Orig.-Skizze

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen IV

Künstler-Vorzugsausgabe mit Orig.-Skizze

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen V

Künstler-Vorzugsausgabe mit Orig.-Illustration

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen VI

Künstler-Vorzugsausgabe mit Orig.-Skizze

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Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen VII

Künstler-Vorzugsausgabe mit Orig.-Skizze

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen VIII

Künstler-Vorzugsausgabe mit Orig.-Illustration

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen IX

Künstler-Vorzugsausgabe mit Orig.-Skizze

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen X

Künstler-Vorzugsausgabe mit Orig.-Illustration

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen XI

Künstler-Vorzugsausgabe mit Orig.-Skizze

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen XII

Künstler-Vorzugsausgabe mit Orig.-Illustration

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Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen XIII

Künstler-Vorzugsausgabe mit Orig.-Skizze

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen XIV

Künstler-Vorzugsausgabe mit Orig.-Illustration

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen XVI

Künstler-Vorzugsausgabe mit Orig.-Skizze

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen XVII

Künstler-Vorzugsausgabe mit Orig.-Illustration

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen XVIII

Künstler-Vorzugsausgabe mit Orig.-Skizze

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen XIX

Künstler-Vorzugsausgabe mit Orig.-Illustration

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Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen XX

Künstler-Vorzugsausgabe mit Orig.-Illustration

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen XXI

Künstler-Vorzugsausgabe mit Orig.-Illustration

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen XXII

Künstler-Vorzugsausgabe mit Orig.-Illustration

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen XXIII

Künstler-Vorzugsausgabe mit Orig.-Illustration

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen XXV

Künstler-Vorzugsausgabe mit Orig.-Illustration

Mascha Kaléko/Hans Ticha – Bewölkt, mit leichten Niederschlägen XXVII

Künstler-Vorzugsausgabe mit Orig.-Illustration