Ingrid Jörg

Ingrid Jörg – Malen mit Faden. Nachgestickte Buchillustration.

Für diese Arbeiten müssten Sie bitte mal das meiste, was Sie gewohnt sind, über Kunst zu denken, für einen Moment vergessen. Ich habe auch keinen richtigen Begriff für diese Arbeiten, die wir Ihnen hier vorstellen, ich weiß nur: Es sind absolut beeindruckende Bilder. Und sie wurden noch nie öffentlich gezeigt. Entstanden sind sie in den Jahren 2010 bis 2013...

2009 starb Ingrid Jörgs Mann Wolfgang, mit dem zusammen sie seit 1965 die Berliner Handpresse betrieben hatte, eine der renommiertesten Adressen für originalgrafischen Pressendruck im Nachkriegsdeutschland. Die Ehe hatte sich schon länger auf eine Produktionsgemeinschaft reduziert, die hauptsächlich aus der Arbeit an der Druckpresse bestand. Die meisten der von den beiden gemeinsam geschaffenen Bücher waren mit mindestens sechs Orig.-Farblinolschnitten à fünf bis sieben Farben illustriert und erschienen in einer Auflage von 300 Exemplaren: Für jedes Buch mussten also durchschnittlich 36 Linolplatten geschnitten und diese in unvorstellbaren 10.800 Druckdurchgängen gedruckt werden. Da gab es weder Sonn- noch Feiertage.

Mit dem Tod von Wolfgang Jörg hörte all das schlagartig auf, allein konnte Ingrid Jörg die Druckwerkstatt nicht halten und musste sie auflösen. Gleichzeitig pflegte sie den schwer erkrankten Lebensgefährten, mit dem sie seit einigen Jahren zusammenlebte. In dieser Ausnahmesituation, ohne die seit 45 Jahren den Lebensrhythmus dominierende Druckpresse und mit der seelischen Belastung der Pflege setzte sich Jörg wie im Märchen mit einem Stickrahmen ans Fenster und stickte drei Jahre lang Bilder – nur dass es sich im Märchen sicher kaum um Formate von z.B. 50 x 110 cm gehandelt hat. Die Motive dieser Bilder bezog sie aus den Linolschnitten ihrer eigenen Bücher, vor allem aus Franz Hohlers „Drei Gärtner“, Felicitas Hoppes „Die Reise nach Java“ und Susanne Merrems „Zugo oder Gauner in Krawinkel: aus dem Leben eines faulen Vogel“.

Und nun dazu, weshalb ich Sie eingangs bat, alles, was Ihnen normalerweise zu Kunst einfällt, auszublenden: Wir leben immer noch in einem Zeitalter, in dem ein männlicher Künstler in vergleichbarer Lebenssituation wohl kaum zu Nadel und Faden gegriffen hätte. Schade eigentlich. In dem aber die männliche Meinungsführerschaft im Kunstjournalismus wie in der Museumslandschaft gerade erst angeknackst, bei Weitem aber nicht gebrochen ist, weswegen manch einer auf die Idee kommen könnte, eine solch weibliche Form der Kunstäußerung sei gut mit Begriffsschubladen wie „Angewandte Kunst“ oder „Handarbeiten“ abzutun.

Erst wenn man lange nach dem Tod einer Künstlerin solche Werke „entdeckt“, wie die großen Bildteppiche der Norwegerin Hannah Ryggen, die 2020, fünfzig Jahre nach ihrem Tod, mit viel Medienresonanz in der Frankfurter Schirn ausgestellt wurden, dann beeinträchtigt die „weibliche“ Technik nicht mehr den Blick auf die Qualität der Kunst. Wenn man wie ich das Glück hat, sich ein ganzes Berufsleben lang mit Kunst zu beschäftigen, und das beinhaltet, sehr, sehr viele Kunstwerke zu sehen, dann billigen Sie mir vielleicht zu, dass ich nicht pro domo lobe, sondern ein von dieser Erfahrung geprägtes Urteil äußere: Ingrid Jörgs Stickbilder sind grandiose Kunst-werke, und ich wünsche mir sehr, dass sie deren Anerkennung eben nicht erst auf den Grabstein gemeißelt bekommt.

Und ich möchte etwas tun, was so ungewöhnlich ist wie diese Kunst selbst: Ich möchte die Preisfindung für diese Bilder transparent machen. Ingrid Jörg hat je nach Größe zwischen einem und zwei Monaten an einem Bild gearbeitet. Nehmen wir nur einen Monat und setzen mal ein gewünschtes Nettoeinkommen von 2000 Euro an, was für einen Job mit abgeschlossener Hochschulausbildung, wie Ingrid Jörg sie an der Hochschule für Bildende Künste Berlin absolviert hat, sicher nicht ganz unbescheiden ist. Analog einem Angestellteneinkommen kämen für eine Witwe mit erwachsenen Kindern, Steuerklasse I, ca. 900 Euro Steuern und Sozialabgaben dazu, wie man leicht mit einem Brutto-Netto-Rechner im Internet eruieren kann.

Des weiteren 600 Euro, die sich aus einem Zwölftel von 13. Monatsgehalt und sechs bezahlten Urlaubswochen summieren. Man käme also auf einen Betrag von rund 3500 Euro, wenn man die Bilder, die sich niemals verkaufen werden, nicht in die Kalkulation einrechnet (was einem aber unweigerlich eine Ohrfeige des Betriebs-beraters einbrächte).

Müsste also das besagte Bild jetzt 3500 Euro kosten? Oh nein, normalerweise bekommt der Galerist ja das Gleiche auch (eben nur für verkaufte Bilder, wenn er nichts verkauft in einer Ausstellung, hat er Miete, Werbung und eigenes Einkommen draufbezahlt, er kann also nicht anders, als den Aufwand für nicht verkaufte Bilder mitzukalkulieren), dann wären wir also bei 7000 Euro. Ganz schön viel, aber natürlich nicht genug, denn jetzt kommen 19 % Mehrwertsteuer = 1330 Euro hinzu: Endpreis 8300 Euro, damit die Künstlerin ein Netto-Einkommen von 2000 Euro hat, von dem ja normalerweise noch Ateliermiete zu zahlen ist, Material, usw. Und krank werden darf sie auch nicht.

Ich muss nicht die Hand aufs Herz legen, um einzuräumen, dass ich diesen Preis nicht für marktfähig halte: weil Ungewöhnliches in der Kunst auf den Preis drückt, denn „der Markt“ honoriert nur den Mainstream, und weil in dieser Preisklasse schon eher eine „Künstlermarke“ erwartet wird, die allseits bekannt ist bzw. von einer Galerie mit Messeauftritten usw. „gepflegt“ wird. Ich habe mich mit Ingrid Jörg auf Preise zwischen 1900 und 2800 Euro für ihre grandiosen Stickbilder verständigt, und ich weiß, auch bei diesem Preis zuckt man erst mal kurz zusammen, ist halt viel Geld. Aber vielleicht gibt Ihnen die oben aufgefächerte Kalkulation die Beruhigung, dass Sie keine völlig unangebrachten Mondpreise für diese aus dem Raster fallenden Bilder bezahlen würden.

„Ich bin eine Malerin, keine Weberin; eine Malerin, deren Werkzeug nicht der Pinsel ist, sondern der Webstuhl.“ Was Hannah Ryggen über ihr Werk sagte, gilt auch für Ingrid Jörg und ihre Stickbilder. Sie wurde berühmt durch ihre Farblinolschnitte in den originalgrafischen Büchern, aber auch für diese Arbeiten ist der Hintergrund das Denken als Malerin. Mit ungebrochener Schaffenskraft malt sie weiter und bei jedem Besuch in ihrer Kreuzberger Atelier-wohnung sehe ich neue, kraftvolle Bilder. Ein besonders schönes Landschaftsbild von 2021 habe ich für die Ausstellung mitnehmen können, und beim Gespräch über den Preis sagte sie, wie sonst nur ganz junge Künstler: „Ach, ich nähme es auch sehr gern wieder zurück…“

Für diese Ausstellung hat sie auch Arbeitsskizzen – das sind bei ihr Collagen und Aquarelle, mit denen sie die Motive für Linolschnitte und auch die Stickbilder vormodellierte – herausgesucht, ein spannender Einblick in ihre Arbeitsweise.

Wolfgang Grätz, 241. Frankfurter Grafikbrief 2022


Ingrid Jörg 85

Am 16. Februar 2020 feierte die Frau, die sozusagen das originalgrafische Kinderbuch erfunden und in der Berliner Handpresse mit insgesamt 45 Drucken zur Blüte gebracht hat, ihren 85. Geburtstag. Jetzt denken Sie bloß nicht, Sie hätten es bei ihr mit einer älteren Frau zu tun, das ist sie beileibe nicht – was nicht nur mit dem Leben in ihrer Kreuzberger Atelierwohnung im 5. Stock ohne Aufzug zu tun hat…

Wenn jemand so für ein Genre steht wie sie für die Kinderliteratur-Pressendrucke, wird oft übersehen, dass noch andere Fähigkeiten in einem schlummern, nein, diese Formulierung trifft‘s überhaupt nicht, denn die stupende Qualität ihrer Malerei schlummert nicht in ihr, sondern sticht ins Auge – wenn dieses bzw. sein/e Besitzer/in denn die fünf Stiegen im Kreuzberger Hinterhaus erklommen und die Bilder ins Nämliche gefasst hätte.

Die 1961 gegründete Berliner Handpresse verlegte vornehmlich Drucke, die von den beiden Gründern Wolfgang Jörg (*1934 in Köln, + 2009) und Erich Schönig (1935 bis 1989) mit farbigen Original-Linolschnitten illustriert waren.

Arbeiten der Dritten im Bunde, Ingrid Jörg, fanden sich allenfalls in den Handpressendrucken, die nach dem frühen Tod von Schönig von Wolfgang Jörg, Klaus Ensikat und eben Ingrid Jörg mit Orig.-Farblinolschnitten ausgestattet worden waren. Dies, obwohl es 45 eigenständige Drucke von Ingrid Jörg gibt – aber die waren und sind schwer zu bekommen! Denn im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen, deren Gemeinschaftswerke meist eine Auflage von 300 Exemplaren hatten, druckte sie immer höchstens 100 Exemplare, was bei z.B. acht Farblinolschnitten pro Buch à 6 Farben gewaltige 4800 Handdruck-Vorgänge je Buchauflage ausmachte. (Original-Ton Ingrid Jörg: „Wochenende kannten wir eigentlich nicht, wir haben halt immer gedruckt. Na ja, was hätten wir auch sonst machen sollen?“)

Ihre Bücher stießen auf großes Interesse, und die 100 Exemplare waren praktisch immer gleich durch die festen Abonnenten vergriffen, kleine Restauflagen und Einzelstücke wurden nicht mehr groß beworben. So gelangten die meisten Bücher von Ingrid Jörg gar nicht erst in den freien Handel, und so ist das auch geblieben. Heute bewegen sich die Preise im Antiquariat für gut erhaltene Stücke um die 500 Euro.

Ingrid Jörg wurde 1935 im brandenburgischen Gransee geboren. 1954 ging sie in das damals noch offene Westberlin, um an der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) zu studieren. Als sie 1957 mit einer Freundin auf Ibiza Urlaub machte (ein durch Trampen, Busfahrt nach Barcelona und Schiff erschwingliches Vergnügen), guckte ihr ein junger Mann in den Suppenteller – es war der ebenfalls an der HfBK, wenn auch an anderer Lernstätte, studierende Wolfgang Jörg. Aus der Urlaubsbekanntschaft wurde eine Partnerschaft in Familie und Kunst, die durch die gemeinsame Arbeit in der Berliner Handpresse nun Teil der Kunstgeschichte ist.

Der 7. Druck der Berliner Handpresse 1965 war der erste von Ingrid Jörg, wie praktisch alle Berliner Handpressendrucke, auch eine literarische Erstausgabe. Die Texte zu sechs der 17 Bücher von Ingrid Jörg hat die in Hameln geborene Schriftstellerin Felicitas Hoppe verfasst, einige sind später auch als reproduzierte Verlagsausgaben in hoher Auflage erschienen. Ingrid Jörgs Bücher wurden mehrfach im Wettbewerb der Schönsten Bücher der Welt ausgezeichnet.

Ingrid Jörg ist als Pressendruckerin und Schöpferin wunderbarer Farblinolschnitte bekannt, aber zu ihrem Lebenswerk gehörte und gehört immer auch die Malerei, sie bevorzugt das große Format und kann auf ein bemerkenswertes Oeuvre blicken.

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Ingrid Jörg – Igel, Katzen, Huhn

Orig.-Farblinolschnitt

VERKAUFT!

Ingrid Jörg – Der Joker. Rainer Langhans

Orig.-Farblinolschnitt

Ingrid Jörg – Der dicke Fisch

Orig.-Linolschnitt

Großer Döllnsee

Acryl auf Leinwand

Reise nach Java

Papiercollage

Zugo Hühnervogel

Papiercollage

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Ganovenball

Papiercollage

Die weiße Frau

Papiercollage

Eine Räubergeschichte

Orig.-Farblinolschnitt

Gestrenge Königin

Aquarell

Gestrenge Königin

Orig.-Farblinolschnitt

Hahn im Korb

Collage aus aquarellierten Papieren

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Hahn im Korb

Orig.-Farblinolschnitt

Rabenversammlung II

Collage aus aquarellierten Papieren

Rabenversammlung II

Orig.-Farblinolschnitt

Schneckenschlitten

Orig.-Farblinolschnitt

Michael Heiko Hartmann/ Ingrid Jörg – Mengmeng und Roberto

Uckermark

Acryl auf Leinwand

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Engelbecken (Berlin Kreuzberg)

Acryl auf Leinwand

Schloß Meseberg von oben

Acryl auf Leinwand

Atelierfenster

Acryl auf Leinwand

Ingrid Jörg – Die Kaninchen von Berlin

Orig.-Farblinolschnitt

Abendstimmung in der Steiermark

Öl auf Leinwand

Wald in der Steiermark

Öl auf Leinwand

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See bei Meseberg

Öl auf Leinwand

Piz Palü

Öl auf Leinwand

Schloss Meseberg

Acryl auf Leinwand

Babelsberg

Acryl auf Leinwand

Blumen vor dem Dachfenster

Öl auf Leinwand

Katzen in Amsterdam

Öl auf Leinwand

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Zwanzig Jahre Berliner Handpresse 1961-1981

Vorzugsausgabe

Bernd Jentzsch/ Ingrid Jörg – Die Wirkung des Ebers auf die Sau

Felicitas Hoppe/ Ingrid Jörg/ Wolfgang Jörg/ Klaus Ensikat – Die Torte

Uwe Timm/ Ingrid Jörg/ Wolfgang Jörg/ Klaus Ensikat – Meerjungfrau

Christoph Hein/ Ingrid Jörg/ Wolfgang Jörg/ Klaus Ensikat – Matzeln

Ingrid Jörg - Esel und Kakteen

Orig.-Farblinolschnitt

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Sonnenblume

Orig.-Farblinolschnitt

VERKAUFT!

Innige Beziehung

Orig.-Farblinolschnitt

Magie

Orig.-Farblinolschnitt

Schwarze Katze

Orig.-Farblinolschnitt

Bunte Katze

Orig.-Farblinolschnitt

Fromme und andere Nonnen

Orig.-Farblinolschnitt

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Missgeschickt

Orig.-Farblinolschnitt

Kaninchen von Berlin

Orig.-Farblinolschnitt

Raum ist in der kleinsten Hütte...

Orig.-Farblinolschnitt

Dame, Berge, Rotwein

Orig.-Farblinolschnitt

Die goldene Kutsche

Orig.-Farblinolschnitt

Vorfahrt für die Tiere des Waldes

Orig.-Farblinolschnitt

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Auch mal hoch hinaus

Orig.-Farblinolschnitt

Bella Italia

Orig.-Farblinolschnitt

Die Wirkung des Ebers auf die Sau

Orig.-Farblinolschnitt

…wie der Hase läuft

Original-Farblinolschnitt

Seifenblasen

Original-Farblinolschnitt

Christoph Hein/Ingrid Jörg/Wolfgang Jörg/ Klaus Ensikat – Zwei Meister der schwarzen Kunst und ein a

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Felicitas Hoppe/Ingrid Jörg/Wolfgang Jörg/Klaus Ensikat – Das Richtfest

Perikles Monioudis/Ingrid Jörg – Das blaue Telegramm

Jens Sparschuh/Ingrid Jörg – Paulines Reise