Krefelder Absolventen
Ausgewählte Original-Druckgrafiken aus der Klasse von Professor Jochen Stücke an der Hochschule Niederrhein in Krefeld
Vor drei Jahren haben wir erstmals die druckgrafischen Arbeiten einer Hochschulklasse vorgestellt. Nun wollen wir nun sehen: Wie geht es weiter?
Wenn man heute „junge Künstler“ ankündigt, dann ist das natürlich ausgesprochen schick, in unserer Werbegesellschaft ist „jung“ das höchstmögliche Prädikat und schürt die Erwartung auf etwas Neues, noch nicht Dagewesenes. Ich erinnere mich aber, dass ich von meinen ersten Atelier-Schnupper-besuchen an Hochschulen in Frankfurt (Städel) und Dresden vor vielen Jahren ziemlich enttäuscht zurückkam: nirgends das bahnbrechend Andere.
Inzwischen denke ich, das Besondere an aktiven Druckgrafik-Klassen ist erst einmal, dass diese Techniken bewahrt werden, dass sie in einer Zeit, in der Bilder so schnell und scheinbar perfekt am Rechner (sic!) herzustellen sind, nicht verloren-gehen, dass junge Künstler Kenntnisse und Erfahrungen in Lithografie, Radierung und Holzschnitt erwerben.
Warum, zum Teufel aber, soll denn die Druckgrafik mit ihrer ganzen Aufwändigkeit nicht verschwinden, wenn doch das Künstlerleben ohne sie viel einfacher wäre? Man brauchte keine besonderen Kenntnisse, keine raumverstopfende Druckpresse, keine teuren Kupferplatten, von den Lithografiesteinen mal ganz zu schweigen, die man nur bei dem – schon vor Verkauf auch nur eines Druckes zu entlohnenden – Drucker findet.
Druckgrafik bringt eine völlig eigene Dimension in die Bildende Kunst – nicht umsonst haben alle großen Künstler von Dürer bis Picasso der Grafik großen Raum im eigenen Werk eingeräumt. In der Kunst geht es ja um das Gegenteil von „rechnen“ – es geht um das Unabsichtliche, das nicht Planbare, das nicht Berechenbare. Auch hier sei wieder Picasso als Zeuge angeführt, dem man in dem Film Le Mystère Picasso (1955) des französischen Regisseurs Henri-Georges Clouzot zusehen konnte, wie er zunächst Planbares auf die Leinwand brachte, das er sukzessive scheinbar absurd übermalte, wodurch aber die Figuren eine vollkommen neue, nie gesehene Form bekamen.
Druckgrafik muss ähnlich geplant werden wie Picassos erster Schritt – um dann durch die Bedingungen des Materials dieses Eigenleben, das der Künstler nicht mehr hundertprozentig steuern kann, zu entwickeln und zu „unabsichtlichen“ Lösungen zu führen. Dieses Eigenleben des Materials kann die einschüchternde Glätte des jungfräulichen Lithosteins genauso sein wie der Widerstand des Kupfers gegen die Radiernadel, die Maserung der Holzplatte gegen den Stichel und so weiter. Und so führt diese Interaktion von Künstler und Druckträger im besten Falle zu Bildlösungen, die in anderer Technik so nie entstanden wären. Geplante Perfektion (z.B. am Rechner) dagegen ist steril, hat keine Aura, keine Ausstrahlung des menschlichen Maßes.
Erst an zweiter Stelle steht bei der Druckgrafik der zusätzliche Nutzen, dass die Herstellung mehrerer gleicher Exemplare möglich ist, kleinerer oder größerer Auflagen also, die den Erwerb einer Grafik erschwinglicher machen als wenn man ein einmaliges Bild, ein Unikat ersteht.
Legen wir diese Kriterien als Maßstab an den aktuellen Jahrgang der Krefelder Studierenden an, so fällt als Erstes die wütende Folge von sieben Teufel-Radierungen von Nils Sprenger auf, die er in nur gut vier Wochen geschaffen hat. Als Professor Stücke ihm bedeutete, mit diesen Monstern würde er wohl keinen überwältigenden Markterfolg erzielen, tröstete ihn der junge Berserker: „Nicht so schlimm, Coach.“ – Ein Künstler! (Die Auflagen betragen auch nur je 3 - 4 Exemplare…)
Was mich ebenfalls sehr freut, ist, dass mit Agnes Stepak eine Künstlerin sich dem Prägedruck verschrieben hat. Sie schneidet ein Relief und druckt das feuchte Bütten ohne Farbe, so dass eine sogenannte Blindprägung entsteht, die ihr Geheimnis erst durch den richtigen Lichteinfall preisgibt. Der Zyklus von drei Arbeiten heißt „Zugeschnürt“, und dazu passt diese diskrete Technik sehr gut.
Robert Sydlik ist ein Fahrradfreak und weiß daher, was er in Bildausschnitten, die man nur kennt, wenn man selbst im Pulk mitfährt, in farbige Linolschnitte umsetzt. Nora Neuhaus skizziert in sehr klarer Linien- und Formensprache ebenfalls in Linolschnitten, was der durch Fotografierverbot nach wie vor aktuelle Beruf des Gerichtszeichners normalerweise in schneller Bleistiftskizze festhält. Katharina Girnuweit setzt aus Typografie Bilder zusammen – hier spielt der „Rechner“ eine glorreiche Rolle – und druckt die eindrucksvollen Wortgebäude als Serigrafien. Bruno Schulte schneidet Naturausschnitte in bestechend klaren Formen, Anne Schulze vergrößert gruselige Comicbildsprache. Katja Möltgen experimentiert mit Bütten-Papieren, auf die sie ihre Fenster-bilder druckt. Nele Geke verleiht dem weiblichen Gefühl, im Rock wie eine Tonne auszusehen, Ausdruck und Isabell Seemann zeigt, wie sich ungegenständliche und gegenständliche Bildsprache auseinander herleiten. Auch Lisa Hölting arbeitet eher ungegenständlich und experimentiert mit Mischformen aus Laserdruck und Linolschnitt. Hana Varahrams Linienführung erinnert an altägyptische Steinritz-zeichnungen und wirkt trotzdem sehr modern.
So weit ein nicht ganz vollständiger Überblick über die Arbeiten derzeit Studierender in unserer Ausstellung – der deutlich macht, dass diese jungen Künstler Themen haben, dass es für sie nicht beliebig ist, für was sie die Mühen der Druckgrafik auf sich nehmen.
Etliche der Absolventen, deren Arbeiten in unserer Ausstellung 2011 zu sehen waren, haben mit ihren Grafiken Furore gemacht – allein im Büchergilde art-club sind seit 2011 von sieben Krefelder Absolventen insgesamt sechzehn Grafikeditionen erschienen – die meisten mit gutem Verkaufserfolg. Im Büchergilde-Mitgliedermagazin des 4. Quartals erscheint erneut ein großer handkolorierter Linolschnitt von Wienke Treblin.
Diese und Benjamin Dammeier, Justine Ohlhöft, Nina Lösel, Yvonne Domava sowie Judith Cleve und Jana Davids, die ja inzwischen sogar zusammen ein Lehrbuch für Linolschnitt mit Kindern geschrieben haben, sind mit neuen Arbeiten in der Ausstellung vertreten und zeigen, dass es mit ihrer Grafiklust weitergeht. Vor allem aber sind neue Radierungen von Alexandra Frohloff zu sehen, die mit ihren zarten Traumlandschaften für die Stille steht, die Ruhe, die ein Bild verströmen kann. Von ihr, inzwischen selbst Lehrbeauftragte für Zeichnung und Illustration an der Hochschule in Krefeld, ist ein Katalog erschienen, der versucht, den zarten Nuancen ihrer feinen Radierungen gerecht zu werden.
Wolfgang Grätz
Einladungstext im 192. Frankfurter Grafikbrief
Christine Schmetzke – Verwandlung Orig.-Linolschnitt | Justine Ohlhöft – Hamburger Hafen 1 Orig.-Linolschnitt | Cynthia Meier-Dusol – Seeschlacht Kaltnadelradierung von der Zinkplatte | Jochen Stücke – Pariser Album (nach Yasmina Reza) Orig.-Radierung | Jochen Stücke – De Gaulle als Louis Orig.-Serigrafie 2008 | Jochen Stücke – Das Gewitter (nach Zola) Strichätzung, Kaltnadel | |||||
Wienke Treblin - La Solitude III Orig.-Linolschnitt, handaquarelliert | Alexandra Frohloff - Spring of Time Radierung | Judith Cleve und Jana Davids – Stadtspaziergang Farblinolschnitt 2014 | Judith Cleve und Jana Davids – Radschlag Farblinolschnitt 2012 | Lithografie 2012 | ||||||
Lithografie 2012 | Lithografie/Siebdruck 2012 | Lithografie/Siebdruck 2012 | Lithografie 2012 | Lithografie 2012 | Yvonne Domava – Ich möchte aus der Welt Radierung | |||||
Linolschnitt 2014 | Linolschnitt 2014 | Linolschnitt 2014 | Katharina Girnuweit – Pauluskirche Siebdruck 2013 | Katharina Girnuweit – Stadttheater Siebdruck 2013 | Laserdruck/Linolschnitt 2013 | |||||
Laserdruck/Linolschnitt 2013 | Radierung, Linolschnitt 2014 | Katja Möltgen – Mädchen am Fenster V Linolschnitt 2014 | Katja Möltgen – Am Fenster III Aquatinta, Strichätzung 2014 | Linolschnitt | Linolschnitt 2013/14 | |||||
Linolschnitt 2014 | Linolschnitt 2014 | Linolschnitt 2014 | Linolschnitt 2014 | Linolschnitt 2014 | Kaltnadelradierung 2014 | |||||
Isabelle Seemann – Grenzüberschreitung Kaltnadelradierung 2014 | Isabelle Seemann – Summ, summ, summ Kaltnadelradierung 2014 | Radierung 2014 (Aquatinta, Strichätzung, Kaltnadel) | Radierung 2014 (Aquatinta, Strichätzung, Kaltnadel) | Radierung 2014 (Aquatinta, Strichätzung, Kaltnadel) | Radierung 2014 (Aquatinta, Strichätzung, Kaltnadel) | |||||
Radierung 2014 (Aquatinta, Strichätzung, Kaltnadel) | Radierung 2014 (Aquatinta, Strichätzung, Kaltnadel) | Robert Sydlik – Auf der Flucht Linolschnitt/Farblithografie 2014 | Robert Sydlik – Vorbeirauschen Linolschnitt 2014 | Linolschnitt 2014 | Linolschnitt 2014 | |||||
Robert Sydlik – Rund um den Kirchturm Linolschnitt 2014 | Linolschnitt 2014 | Linolschnitt 2014 | Hana Varahram – Teil aus dem Traum Linolschnitt 2014 | Linolschnitt 2014 | Judith Cleve/Jana Davids – Clarendon in Segmenten Orig.-Linolschnitt | |||||
Wiene Treblin - Anita kennt sich aus Linolschnitt | Holzschnitt | Wienke Treblin - Für Zilles Töchter Linolschnitt | Linoldruck | Judith Cleve/ Jana Davids – Heide Witzka Linoldruck | Judith Cleve/ Jana Davids – nimm dir die zeit Linoldruck | |||||
Sonja Friedrich – Angst im Dunkeln I Collagraphie | Sonja Friedrich – Angst im Dunkeln II Collagraphie | Alexandra Frohloff – Stille - Höhle I Radierung, Holzschnitt | Alexandra Frohloff – Catherine, nach Emily Bronte Radierung | Alexandra Frohloff – Stille - Wald II Radierung, Holzschnitt | Alexandra Frohloff – Stille - Wald III Radierung, Holzschnitt | |||||
Radierung | Cynthia Meier-Dusol – Huis Clos Radierung | Justine Ohlhöft – Industriekultur 1 Linolschnitt | Christina Schmiedel - Der innere Schweinehund - Evolution farbiger Linolschnitt | Christina Schmiedel - Der innere Schweinehund - Rassen Farblinolschnitt | Holzschnitt | |||||