Serigrafie

Der künstlerische Siebdruck: Die Serigrafie
Unter "Lesen Sie mehr" finden Sie eine kurze Einführung in Technik und Geschichte der Serigrafie

In welcher Technik sind die teuersten Druckgrafiken der Welt geschaffen worden? Unglaublich: im Siebdruck, der lange Zeit nicht als seriöse Drucktechnik anerkannt war. Die Serigrafien von Andy Warhol erzielen auf den großen Auktionen regelmäßig Preise bis zu 100 Mio. Dollar (was allerdings auch auf den überhitzten amerikanischen Kunstmarkt zurückzuführen ist). Eine stringente Geschichte dieser Technik gibt es nicht und es ist wohl am besten, man nähert sich erst einmal der technischen Seite an:

Das Druck-Sieb ist ein Metallrahmen wie etwa ein Fenster-flügel ohne Glas, aber mit Fliegengitter, der wie ein Fenster an zwei Scharnieren, nur eben flach, das Fliegengitter nach unten, auf einen Tisch montiert ist. Dieses Sieb wird mit einer UV-Licht-empfindlichen Matsche eingeschmiert. Darauf legt der Künstler eine durch-sichtige Folie, auf die er z.B. die Konturen eines Autos gezeichnet hat. Nun wird UV-Licht angeknipst, und das härtet die Matsche an all den Stellen auf dem Sieb aus, auf die das Licht fällt. Da, wo die gezeichnete Auto-Konturzeichnung liegt, kommt kein UV-Licht auf das Sieb, da bleibt die Matsche matschig.

Nun wird die Folie heruntergenommen und das Sieb mit einer Wasserdusche ausgespült. Die gehärtete Matsche hat die Siebporen verschlossen, die flüssig gebliebene ist ausgewaschen, hier sind die Siebporen offen. Hält man das Sieb gegen das Licht, sieht man die Konturen des Autos. Unter das Sieb, auf den Tisch, wird nun ein Bogen Büttenpapier gelegt und oben auf das Sieb, am Rand, dickflüssige Farbe geschüttet, die wegen der verschlossenen Siebporen dort verharrt, bis der Drucker mit dem Rakel – einer Art großes Lineal – die, sagen wir, schwarze Farbe einmal quer über das Sieb zieht. Nur an den Stellen, an denen die Siebporen offen waren, dringt die Farbe durch das Sieb auf das Bütten. Darauf sind jetzt in unserem Fall die schwarzen Konturen eines Autos gedruckt.
Soll nun z.B. das rosige Gesicht des Fahrers eingedruckt werde, würde der Künstler die nächste Folie bezeichnen, das Sieb auf die gleiche Weise präparieren und muss nun natürlich den Büttenbogen mit den Autokonturen ganz genau einpassen, damit der Fahrer nicht neben das Auto gedruckt wird. Da heißt es, Millimeterarbeit leisten. Es gab Siebdrucker, die es schafften, Grafiken von bis zu 150 Sieben zu drucken…

Der Siebdruck ist also ein Durchdruckverfahren, im Gegensatz zum Hochdruck (Holzschnitt, nur die hoch stehenden Teile der Druckplatten werden abgedruckt), Tiefdruck (Radierung – die Farbe wird von feuchtem Bütten aus den Plattenvertiefungen gesaugt) und Flachdruck (Lithographie – der flachgeschliffene Kalkstein als Druckträger nimmt nur an den Stellen, wo er mit Fettkreide bezeichnet wurde, aufgewalzte Druckfarbe an und druckt diese auf das Bütten). Das sind die vier klassischen Formen der Druckgrafik.

Der Name Serigrafie kommt nicht etwa von der Serie, die man drucken kann, denn das kann man mit allen anderen Techniken ja auch, sondern leitet sich aus dem Lateinischen sericus (seiden) und dem griechischen graphein (aufzeichnen) ab. Seide? Das Geflecht, mit dem die Siebe vor allem in Japan, das eine lange Tradition des sehr ähnlichen Schablonendrucks hat, im 19. Jahrhundert bespannt waren, war aus Seidengaze. Im englischen Begriff für Serigrafie silk screen print ist die Seide noch deutlicher präsent.

Als der Stuttgarter Gebrauchsgrafiker Luitpold Domberger aber 1948 in einer Kunstausstellung im dortigen Amerikahaus erstmals mit der in Deutschland noch weitgehend unbekannten Drucktechnik in Berührung kam, bespannte er sein erstes eigenes Sieb mit einem Damen-Nylonstrumpf… Als ihn kurze Zeit später sein Nachbar, der Maler Willi Baumeister besuchte und die Möglichkeiten der Serigrafie für sich erkannte, begann von Stuttgart aus ein Siegeszug dieser Drucktechnik in der deutschen Nachkriegskunst.

Als Serigrafie bezeichnet man die künstlerische Form des Siebdruckes, um sie auch sprachlich von der industriellen Verwendung dieser Technik abzugrenzen. Denn mit dem Siebdruck kann man (mittlerweile voll automatisiert) Flaschen, Stoffe oder auch die Werbeflächen auf der Straßenbahn bedrucken. In Amerika wurde der Siebdruck in den 20er-Jahren vor allem auch in der Werbung, für Plakate usw. eingesetzt. So ist es kein Wunder, dass Andy Warhol sich dann genau dieser Technik bediente, die in der Pop art der 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts zu internationaler Blüte kam.

Ergänzt werden muss, dass die Möglichkeiten für den Künstler, das Sieb zu präparieren, Legion sind: Man kann ausgeschnittene Schablonen auflegen (siehe Henning Wagenbreths Heft !WOW! Symmetrical Papercuts), direkt ins Sieb reinmalen mit Fettkreide, die dann nach der Siebbeschichtung mit Lösungsmittel ausgewaschen wird, oder experimentieren wie Klaus Süß, der schon in den 80er-Jahren die einzelnen Stufen eines Holzschnittes in der Technik der verlorenen Form jeweils auf durchsichtigen Film druckte und damit die Siebe belichtete – Serigrafie, die aussieht wie Holzschnitt.

Derzeit erlebt die Serigrafie eine Renaissance vor allem bei jungen Künstlerinnen und Künstlern, die die klaren, leuchtenden Farbflächen schätzen, von denen eine plakative Wirkung ausgeht. Zudem ist der Eigenbau einer Siebdruckanlage kein großes Problem – diverse Bauanlei-tungen kursieren im Internet, sogar Kunsthochschulen greifen auf diese preiswerte Möglichkeit, zu einer druckgrafischen Anlage zu kommen, zurück. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass der Siebdruck die dominierende grafische Drucktechnik der nächsten Jahre werden wird.