Svato Zapletal

Zapletal, 1946 in Prag geboren, lebte bis 1969 als Maschinenbautechniker, Zirkusarbeiter und „Malocher“ in der Tschechoslowakei. Nach dem sowjetischen Einmarsch in Prag siedelte der Künstler nach Hamburg über, wo er an der Hochschule für Bildende Kunst studierte. Zapletal verlegt, druckt und illustriert Bücher, er ist einer der wichtigen Pressendrucker – in Deutschland und in Tschechien, er lebt in Hamburg und in Prag.

Wann immer ich an Svato Zapletal denke, übermannt mich wieder die gewaltige Rührung, die ich empfand, als er vor vielen Jahren eine Episode aus seinem Leben im Jahr 1968 erzählte: Zapletal war als Hilfsarbeiter mit dem Tschechoslowakischen Nationalzirkus in der DDR unterwegs, auf dem Rückweg nach Prag, als die Nachricht von der Niederschlagung des Prager Frühlings durch Sowjetische Panzer den Tross erreichte. Die Wagen hielten an, und auf den Ladeflächen der LKWs stehend, sangen die Menschen tränenüberströmt die tschechoslowakische Nationalhymne.

1969 siedelte Zapletal in die BRD über, arbeitete zunächst in der Pfalz in der Weinlese, dann als Techniker in Landau. Ab 1971 studierte er an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Seit 1994 hat der Künstler seinen Hauptwohnsitz wieder in Tschechien, aber er hat nicht nur seine Wohnung in Hamburg behalten, seine Pressendrucke erscheinen nach wie vor in deutscher Sprache – und was für eine Bereicherung der deutschen Buchkultur stellen sie dar!

Svato Zapletal ist, bedingt durch die äußeren Umstände zwangsläufig ein europäischer Künstler geworden, und seine Vita spiegelt die Verwerfungen im Europa des 20. Jahrhunderts wieder. Es sei an dieser Stelle nur nebenbei bemerkt, dass die Büchergilde in den Zwanziger- und Dreißigerjahren eine Dependance in Prag hatte, die bis zur deutschen Okkupation des Sudetenlandes 5000 Mitglieder mit schönen Büchern versorgte…
Und es sei aus gutem Grund daran erinnert, dass es noch nicht so sehr lange möglich ist, dass ein tschechisch-deutscher Künstler in beiden Ländern leben und zwischen ihnen hin und her pendeln kann, und von beiden Ländern als Träger der jeweils eigenen Kultur gesehen wird. Ausdruck dieser Wertschätzung hierzulande ist nun auch der V.O. Stomps-Preis, der Svato Zapletal 2017 in Mainz überreicht wurde.

1946 in Prag geboren, legte Zapletal 1964 das Fachabitur ab, um dann als Maschinenbautechniker, Beifahrer und beim Zirkus zu arbeiten. Seine Flexibilität kam ihm nach seiner Übersiedlung in die BRD sehr zupass, und sie zeichnet auch sein buchkünstlerisches Werk aus: Im Studium belegte er nicht nur die Kurse in freier Malerei bei dem Bauhaus-Schüler Hans Thiemann, sondern auch Typografie und Schriftgrafik bei Gerhard Rühm und Werner Bunz. So verschieden seine Lehrer waren, so variantenreich sind nun seine künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten als Büchermacher und freischaffender Künstler. 

Während sein Studium erst 1977 endete, erschien bereits 1975 sein erstes originalgrafisches Buch, ein Jahr später, noch als Student, gab er seiner künstlerischen Zukunft die organisatorische Form des Svato Verlags, dessen 71. Pressendruck, Morgensterns „Mitternachtsmaus“ soeben erschienen ist. Mehrere seiner Drucke sind von der Stiftung Buchkunst ausgezeichnet worden, eine Ehrung, die sich ärgerlicherweise nicht mehr wiederholen kann, da seit einigen Jahren nur noch Bücher mit einer Auflage von mehr als 500 Exemplaren zum Wettbewerb zugelassen werden.

Svato gestaltet seine Bücher von A bis Z selbst: Angefangen von der Auswahl der Texte, schafft er, meist in der Technik des Original-Farblinolschnittes und von 6 oder 7 Platten gedruckt, auch die Illustrationen. Die typografische Gestaltung im Bleisatz übernimmt er ebenso (das Setzen selbst nicht unbedingt) wie den Druck der Grafiken von Hand auf einer Andruckpresse. Es entstehen Bücher von klassischer Schönheit und Lesehunger erzeugender Bildpracht.

Am beeindruckendsten finde ich aber seine Literaturauswahl – immer wieder überrascht mich Svato mit seinen mir bis dato unbekannten Fundstücken: Oft geleitet von dem ihm eigenen Humor, widmet er den ganzen Aufwand seiner Gesamtkunstwerke schaffende Fertigkeiten scheinbaren Petitessen wie der Klage von Hans Harry Schmitz über das Schicksal des „Verliehenen Buches“ oder Siegfried Lenz‘ Erzählung über die finnische Sauna „Unter Dampf gesetzt“. Seine Anthologie „Rotkäppchen und die Wölfe“ mit Texten von Heinz Erhard bis Joachim Ringelnatz gehört zum Vergnüglichsten, was ich in letzter Zeit gelesen habe, da wird gesoffen, gelogen und aufgefressen auf Großmutter komm raus.

Dass daneben Arno Schmidts Erzählung „Kühe in Halbtrauer“ oder gar Heideggers „Der Feldweg“ als aufwändige Pressendrucke stehen – Letzterer mit einer verlegerischen Anmerkung über die Problematik der Nähe des Autors zu den Nazis – wäre wohl in kaum einem anderen Verlagskontext möglich oder zumindest so glaubwürdig wie bei Svato. Sein Eingebettetsein in die tschechische Kultur andererseits spiegelt die handschriftliche Signatur des Dramatikers und langjährigen tschechischen Staatspräsidenten Václav Havel in dessen Einakter „Ein Familienabend“, den Svato als deutsche Erstausgabe herausgebracht hat

Wolfgang Grätz, 211. Frankfurter Grafikbrief 2017