Klassisches

Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff, Hans Purmann – Klassische Druckgrafik, die deren Kollegen von der "Berliner Handpresse" gedruckt haben.

Bild: Wolfgang Jörg und Erich Schönig beim Druck von Erich Heckels "Gletscher"

Als ich vor einigen Wochen wieder einmal Ingrid Jörg von der Berliner Handpresse besuchte, erwähnte sie beiläufig, dass sie und ihr Mann Wolfgang Jörg sowie der Dritte im Handpressen-Bunde, Erich Schönig, in den 1950er-Jahren auch Grafik für andere Künstler gedruckt hätten, u.a. für Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff, ja, und ein paar Beleg-Exemplare oder Andrucke, die die Drucker ja immer kriegen, müssten noch irgendwo sein.

Das hat mich natürlich elektrisiert, denn wenn auch die ganz große Zeit der deutschen Expressionisten nach dem 2. Weltkrieg vorbei war, gehören sie doch gerade mit der für den Expressionismus ungemein wichtigen Druckgrafik zu den absoluten Ausnahmekünstlern des 20. Jahrhunderts. Die Suche von Ingrid Jörg ist noch nicht ganz ab- geschlossen, es geht ihr wie so oft auch mir: Man weiß genau, man hat es, aber man weiß einfach nicht, wo. Kann also sein, dass die Ausstellung in ihrem Verlauf noch wächst

Übrigens: Dass Künstler für andere Künstler Grafik drucken, ist keine Seltenheit: Wolfgang Werkmeister hat für Horst Janssen gedruckt, Peter Löding (1936 – 2013) druckte eigentlich fast alles für Stephan Balkenhol, und weil er fehlt, gibt’s da auch so gut wie keine Grafik mehr, Andrea Lange druckt für Hans Ticha usw…

Ingrid Jörg hat uns aus teils signierten, teils unsignierten Beleg- und Widmungsexemplaren von Künstlerkollegen sowie alten Drucken aus eigener Sammlung eine schöne Ausstellung klassischer Druckgrafiken zusammengestellt, wie wir sie noch nie zeigen konnten, und die wir durch einige wunderbare Radierungen von Hans Meid ergänzen konnten. Die Künstlerliste reicht von Erich Heckel über Karl Hofer, Schmidt-Rottluff, Hans Meid, Max Liebermann, Hans Purrmann und Daumier bis zu Kurt Mühlenhaupt (herzige Widmung!), Klaus Ensikat, Carl Kliemann und Ralf Bergner. Die wichtigsten Kurzbiografien:

Erich Heckel (1883 in Döbeln – 1970) gründete 1905 mit Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff (1884 in Rottluff, heute Stadtteil von Chemnitz – 1976) und Fritz Bleyl in Dresden die Künstlergruppe „Brücke“, zu der später Max Pechstein, für kurze Zeit auch Emil Nolde und ab 1911 Otto Mueller stießen. 1913 löste sich die „Brücke“ auf. Sie war das Zentrum des deutschen Expressionismus und neben dem Münchner „Blauen Reiter“ die wichtigste deutsche Künstlervereinigung des 20. Jahrhunderts. 1937 erhielt Heckel Ausstellungsverbot. Im Zuge der Aktion „Entartete Kunst“ wurden 729 seiner Arbeiten und 608 von Schmidt-Rottluff aus deutschen Museen beschlagnahmt und fielen z.T. am 20. März 1939 der Bilder-verbrennung im Hof der Berliner Hauptfeuerwache, bei der insgesamt 1004 Gemälde sowie 3825 Aquarelle und Grafiken verschiedener Künstlern vernichtet wurden, zum Opfer. (Vorbild für Taliban und IS…?)

Heckel fand Zuflucht in Hemmenhofen am Bodensee. Nach Kriegsende erhielt er verschiedene Angebote für ein Lehr-amt an der Berliner Hochschule der Künste, doch er blieb bis zu seinem Lebensende in seiner neuen Heimat. 1955 waren er und Karl Schmidt-Rottluff Teilnehmer der documenta 1 in Kassel. Aus dieser Zeit stammen die von uns gezeigten Holzschnitte.

Hans Purrmann (1880 in Speyer – 1966) fand als Schüler und Freund von Henri Matisse in Paris seine eigene, vom Expressionismus unberührte malerische Form. Befreundet mit Picasso, Gertrude Stein, Max Liebermann, Max Slevogt, Theodor Heuss und Hermann Hesse, lebte Purrmann erst in Paris, später in Italien. In Nazi-deutschland galt er als „entartet“, 36 seiner Gemälde wurden aus deutschen Museen beschlagnahmt. Nach dem Krieg kehrte Purrmann nur zeitweilig nach Deutschland zurück. Sein Einfluss auf die geistige und künstlerische Entwicklung Nachkriegs-Deutschlands war dennoch erheblich.

Karl Hofer (1878 in Karlsruhe – 1955) absolvierte eine Lehre als Buchhändler und studierte dann Malerei an der Kunstakademie Karlsruhe. 1921 wurde er von der Berliner Hochschule für bildende Künste zum Professor ernannt. Dass die Nazis ihn, der sich schon ab 1931 aktiv gegen die NSDAP engagiert hatte, als „entartet“ erklärten und entließen, hielt er für ein Missverständnis, seine Kunst sei deutsch… Nach dem Zusammenbruch der Nazis-Diktatur wurde er 1945 Direktor der Berliner Kunsthochschule. Wir zeigen drei von der Karl-Hofer-Gesellschaft vor 1969 herausgegebene Fotolithografien, vom Stein gedruckt, aber fotomechanisch inkl. der Signatur auf diesen übertragen (Im Werkverzeichnis der Druckgrafik gelistet – dieses stellen wir gern zur Nutzung bereit.)

Hans Meid (1883 in Pforzheim – 1957)
Was verbindet Egbert Herfurth, Rolf Münzner, Baldwin Zettel, Jürgen Wölbing, Katrin Stangl, Susanne Theumer, Kai Voigtmann, Claudia Berg und Franziska Neubert? Dass sie alle Gewinner/innen der seit 1993 verliehenen Hans-Meid-Preise für Buchillustration sind. Umso mehr freut es mich, jetzt Originalgrafiken des Namenspatrons (dessen Sohn Max der Stifter ist) zeigen zu können.

Hans Meid besuchte ab 1900 die Karlsruher Kunstakademie. 1907/08 war er in der Meißner Porzellanmanufaktur als Entwerfer tätig. Danach arbeitete er in Berlin erfolgreich als freischaffender Künstler: 1910 Villa-Romana-Preis, 1911 Mitglied der Berliner Secession, 1919 Dozent für Radierung an der Hochschule für bildende Künste in Berlin. Ab 1927 war er Mitglied der Preußischen Akademie der Künste. 1948 – 1951 unterrichtete er an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Meid war dem Impressionismus verpflichtet und schuf vor allem Radierungen. Sein Werk umfasst eine Vielzahl von Illustrationen zu Werken der Weltliteratur wie Cervantes' Don Quijote und Goethes Wahlverwandtschaften.

Neben schönen Radierungen und einer Handzeichnung finden sich in der Ausstellung zahlreiche Orig.-Lithografien Meids für die 1914 – 1916 von Paul Cassierer heraus-gegebenen „Kriegszeit Künstlerflugblätter“. Neben der Brillanz der Originalgrafik sind das spannende Zeitdokumente über die anfängliche Kriegsbegeisterung der künstlerischen Avantgarde. Es handelt sich jeweils um die ganze Zeitungsseite, halbe Bögen des Gesamtumfangs, rück-seitig Orig.-Lithografien von August Gaul, Willy Jäckel u.a. Auch die Lithografie von Max Liebermann (1847 – 1935), die in der Ausstellung zu sehen ist, entstand für diese Zeitung (Nr. 2/2014), hier aber ein Druck auf maßgerechtes Bütten, auf 30 Expl. nummeriert.