Ein Loblied auf die merkwürdige Spezies der Buchkunstverleger
Jens Henkel zu Ehren
Eine Ausbildung zum Verleger gibt es nicht, auch keinen Verleger-Bachelor. Auf die Frage nach seinen späteren Berufswünschen wird wohl kein Kind „Na, Buchkunst-Verleger vielleicht“ antworten. Und trotzdem gibt es Menschen, die – oft schon in jungen Jahren – entscheiden, sich mit Haut und Haaren einer Profession zu verschreiben, unter der sich wohl 98 Prozent der Bevölkerung nicht viel vorstellen können. Das Produkt ihrer Leidenschaft sind außergewöhnliche Bücher zu ebenso außergewöhnlichen Preisen. Und obwohl diese dreistellig, manchmal gar vierstellig sind, hat noch niemand einen reichen Buchkunstverleger gesehen. Die Kosten, die Kosten...
Das schöne Buch entsteht aus einem Fünfklang: Ausgangspunkt ist der literarische Text, den der Verleger (tat-sächlich dominieren in diesem Genre die männlichen Vertreter der Spezies) für so berührend und wichtig er-achtet, dass er ihn in schönstmöglicher Form würdigen will. Manche Verleger wie Jens Henkel legen Wert darauf, dass es sich dabei um literarische Erstausgaben handelt. Dabei werden natürlich Autoren-Honorare fällig.
Der Text solcher Bücher wurde früher von Hand in Bleilettern gesetzt und im Buchdruck gedruckt. Das ist – die Kosten, die Kosten... – inzwischen die Ausnahme. Der „Satz“ entsteht heute meist digital, dann wird von jeder Druckseite ein Klischee gefertigt. Ein Klischee ist eine lichtempfindlich beschichtete Metallplatte, bei der nach Belichtung und chemischen Prozessen die Schrift plastisch hochsteht, man kann sie mit den Fingerspitzen ertasten. Der Druck von der Klischee-Platte entbehrt der Aura der winzigen Unregelmäßig-keiten, die den Bleisatz so warm und menschlich macht, aber er spart!
Gestaltet werden die künftigen Buchseiten von Typografen, denn: Es fließt in diesem Fall nicht einfach wie bei unserer eigenen Texterfassung am PC alles wie von selbst in die endgültige Form, sondern es werden bewusste ästhetische Entscheidungen getroffen (Typografie ist ein Hochschulstudiengang): Welche Schrift passt am besten zum Text, welche Größe soll sie haben, wie viel „Durchschuss“ (Zeilenabstand) gibt es, welches Verhältnis hat der Satzspiegel (die gedruckte Textseite) zum Buchformat usw. Das alles soll der angenehmen und angemessenen Lesbarkeit des Inhalts dienen.
Der dritte Klang betrifft das Papier: Gedruckt wird in der Regel auf Bütten, schon wegen der gleich zu betrachtenden originalgrafischen Illustrationen. Aber natürlich wirkt ein Text, der sich in dickes Papier eindrückt, eindrücklicher. Es gibt handgeschöpftes Bütten, bei dem jedes Blatt einzeln angefertigt wird – die Kosten, die Kosten... In der Regel wird also maschinell hergestelltes Bütten verwendet, das in großen Bögen produziert und dann für das Buch auf das gewünschte Format geschnitten oder gerissen wird. Das Adverb „maschinell“ führt in die Irre – hier geht nichts schnell. Die Produktion eines Bogens dauert drei bis vier Wochen, nur die mögliche Stückzahl ist höher. Dennoch: das Bütten kostet.
Die vierte Dimension des Buchkunstwerks ist die Auswahl des illustrierenden Künstlers oder der Künstlerin. Wessen künstlerische Handschrift passt zum Inhalt des Textes? In welcher grafischen Technik entstehen die Bilder – eine weiche, mit Tusche auf den Stein gehauchte Lithografie wirkt anders als der nüchtern-kräftige Strich einer Kaltnadelradierung. Beide sind übrigens im Druck aufwändig und teuer. Der Druck eines einzigen Abzugs von der Radierplatte dauert je nach Größe eine halbe bis ganze Stunde. Grafikdrucken ist ein Ausbildungsberuf.
Vom Künstlerhonorar schweigen wir an dieser Stelle, aber: Künstler müssen von ihrer Arbeit leben. Ist ein Künstler/eine Künstlerin sehr bekannt, befördert das natürlich den Absatz des Buches. Aber deren Honorar ist diesem Sachverhalt eben auch angepasst und schlägt sich im Verkaufspreis nieder.
Der oder die Letzte, die Hand anlegen, sind die Buchbinder. Da die wenigsten Menschen in ihrem Alltag noch Berührung haben zu diesem alten Handwerk, sei es noch einmal klargestellt: Es gibt keine Maschine, die ein Buch in einer Auflage von 50 oder 100 Exemplaren rentabel binden kann. Jedes Exemplar eines Pressendrucks ist eine Einzelanfertigung von Hand. Vom exakten Schneiden der Buchdeckelpappen über das passgenaue Bedrucken des Einbandleinens, so, dass am Ende die Schrift auf dem Buchrücken mittig und gerade sitzt, was auch das Aufziehen des Leinens auf die Pappe zu einer Filigranarbeit macht, bis zum Vernähen der einzelnen Druckbögen und deren Zusammennähen zu einem Buchblock – alles mit der Hand, sprach der Praktikant? Nein, es ist ein Beruf, für den man eine Meisterprüfung ablegen muss, um einen Betrieb zu führen.
Fassen wir zusammen: Bevor der Verleger ein einziges Buch verkaufen kann, hat er die Rechnungen von Autor, Typograf, Papierlieferant, vom Drucker des Textes und dem Drucker der Grafiken, vom Buchbinder und natürlich die Rechnung für das Künstlerhonorar auf dem Tisch. Da ist es günstig, wenn man irgendwie privat über Geld verfügt, denn eine Bank lässt sich auf das Absatzrisiko eines solch spinnerten Projekts nicht ein – no credit. Es gibt auch Verleger, die eines der Gewerke selbst erbringen können. Reinhard Scheuble von der „Quetsche“ war auch Drucker, Typograf und Setzer. Aber Jens Henkel z.B. war ein „Nur“-Verleger, der seine Buchprojekte erdachte, plante, die nötigen und gewünschten Beteiligten beauftragte – und bezahlte. Und nicht alle Buchprojekte gehen auf, verkaufen sich am Ende so, dass die Kosten oder gar mehr als nur diese dabei herausschauen. So braucht der Verleger meist noch einen Brotberuf. Jens Henkel war studierter Museologe, und als solcher sehr engagiert tätig am Thüringer Landesmuseum Heidecksburg.
Warum tut ein Mensch sich so etwas an? Grundsätzlich geht es wohl nicht ohne große Liebe zum Buch und zur aufklärerischen Literatur. Aber fände man da nicht auch einfachere Wege? Es gibt ja beispielsweise schon seit mehr als hundert Jahren die Büchergilde, die sich der Herstellung von „guten Büchern in edler Form“ zu erschwinglichen Preisen verschrieben hat.
Aber ein originalgrafisches Buch ist noch einmal etwas gänzlich anderes. Es verfügt über die Aura des originalen Kunstwerks, es atmet die Handarbeit und die Liebe zum Detail, die jedem einzelnen Exemplar einer Auflage innewohnen. Seit sich Mitte des 19. Jahrhunderts eine industrielle Buchproduktion etabliert hat, gibt es als gegen-läufigen Pendelausschlag die Buchkunstbewegung, deren Ziel die künstlerische Gesamtgestaltung des Buches, das Streben nach perfekter Harmonie von Text, Schriftart, Illustration, Papier, Druck und Bucheinband ist. Erste Gründer und Verleger privater Druckpressen waren so illustre Leute wie der Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein (Ernst-Ludwig-Presse) und Harry Graf Kessler, dessen Cranach Presse die wohl bis heute werthaltigsten Bücher hervorbrachte.
Wir stellen auf unserer Plattform hier Pressendrucke zeitgenössischer Verleger vor, mit eigener Rubrik (unter “Druckpressen und Verlage“): burgart presse, Edition graphischer Zirkel, Edition m, MEG art presse, Buchkunst Müth, Die Quetsche aus die Mariannen-, die Eremiten- und die Pfaffenweiler Presse sowie die Gutenberg Pressendrucke (diese unter der Rubrik „Büchergilde“).
Einzelne Drucke folgender Verlage finden Sie in der Rubrik „Pressendrucke“ (unter „Themen“): Edition Dschamp, der Trajanus- und der Corvinus Presse, sowie der Edition Maldoror, des Leipziger Bibliophilenabends, des Kollektiv Tod, der Edition Wasser im Turm, der Bear Press (hier nur Einblattdrucke).
